Die Vermögensverteilung der Welt

In der Frankfurter Sonntagszeitung vom 6. Januar 2013 wurde auf einer farbig gestalteten Doppelseite die Vermögensverteilung der Weltbevölkerung dargestellt. Es lohnt sich die Zahlen  vertieft zu analysieren. Zunächst die Fakten:

Auf der Basis von Erhebungen des Global Wealth Report 2012 wurde die Vermögensverteilung der erwachsenen Weltbevölkerung ermittelt. Die insgesamt 222,8 Billionen $ Weltvermögen verteilen sich innerhalb der 4,592 Milliarden erwachsenen Menschen gemäß folgender Tabelle:

Tabelle Reichtum

 

 

 

Zur Lesart in Worten: 0,6% der erwachsenen Weltbevölkerung besitzen rund 40% des Weltvermögens, dagegen teilen sich rund 70% der Weltbevölkerung  nur 3,3% des Weltvermögens! Nach einer Studie der Beratungsfirma Capgemini erzielten rund 50% der Millionäre ihr Vermögen durch Unternehmensgründungen oder unternehmerische Tätigkeiten. Weitere 23 % schafften es als Angestellte von Unternehmen, sei es als CEO oder in anderer verantwortlicher Tätigkeit. 16 % erbten ihr Vermögen, über die restlichen 11 % gab es keine Angaben. Würde das Vermögen auf alle gleich verteilt, so stünde jedem Erwachsenen ein Vermögen von 49.000 $ zu, von dem freilich 8600 $ Schulden abgezogen werden müssten.

Der Reichtum kumuliert vorwiegend in den USA, Nordeuropa, Japan und einigen emerging markets wie Südkorea, Brasilien; Afrika ist mit Ausnahme Südafrikas auf der signifikanten Palette der Dollar-Millionäre nicht vertreten, dafür China in nicht unerheblicher Weise. Verbunden ist der Reichtum oftmals mit einem besonderen life-style, der sich vom Lebensstil der normalen Bevölkerung bewusst abhebt.

Unabhängig von dem moralischem Empfinden, man sollte besser schreiben von der  Empörung ob der unglaublichen Diskrepanz,  gilt es banale Tatsachen festzuhalten.

Erstens: große Einkommensdifferenzen sind ein weltweites Phänomen.

Zweitens: Das Streben nach Reichtum ist offensichtlich größer als das Streben nach sozialer Gerechtigkeit.

Es hat sich kein System durchgesetzt, das eine annähernde Gleichverteilung proklamierte, im Gegenteil, auch Systeme kommunistischer Etikettierung demonstrierten eine Ungleichheit zwischen reich und arm, zumal wenn Sachgüter und Privilegien mit berücksichtigt werden. Offensichtlich scheint das Streben nach (zumindest etwas) mehr Reichtum humanimmanent zu sein, doch empört gleichzeitig ein zu großer Abstand zwischen (Super-) Reichen und  Armut. Die Debatte um gerechte Einkommen und Vermögensverteilung ist alt und aktuell zugleich. Schon im kommunistischen China gab es z.Z. Maos heftige Diskussionen um den sog. gerechten Lohn. Marxisten sehen den Besitz von Produktionsmitteln als Quelle sozialer Ungerechtigkeit und Ausbeutung, ihre Systemversuche scheiterten jedoch kläglich. In Erinnerung sind die aktuellen Diskussionen um das Kanzlergehalt (Steinbrück-Debatte), aber auch um die Reichensteuer in Frankreich, die den französischen Schauspieler Depardieu nach Russland auswandern ließ. Ein amüsantes Bonmot dabei: der Obelix-Darsteller geriert sich als Anwalt der Vermögenden, es gibt nichts was es nicht gibt! Ganz aktuell mischt sich die ‚Linke‘ mit einer Forderung ein, Gehälter auf 480.000 € Jahresgehalt zu begrenzen (Vorschlag von Frau Kipping, 1.Februar 2013, Quelle FAZ). Schon beginnt eine Auseinandersetzung um die Verfassungsmäßigkeit solcher Steuersätze, um Leistungsantrieb durch hohe Gehälter, aber auch um Mindestlohn und Steuergerechtigkeit.

Wie sind nun alle Aspekte zu vereinbaren? Also einmal der Aspekt des Leistungsanreizes durch Einkommenssteigerungen, zum andern die Frage nach der Gerechtigkeit und der sozialen  Ausgrenzung . Wenn Gehälter wirklich den Preis der Arbeit ausdrücken, so gilt ökonomisch das Knappheitsprinzip, so Verfechter der sog. reinen Marktwirtschafts-Lehre. Doch ist jedes Gut, jede Dienstleistung gesellschaftlich nützlich? Auch die Volkswirtschaft kennt den Begriff der meritorischen Güter, also Güter  und Dienstleistungen, die für die Allgemeinheit verdienstvoll sind. In der Regel gleicht der Staat das infolge mangelnder Nachfrage erwirtschaftete Defizit aus, man denke an den Kulturbetrieb. Dagegen gibt es auch den Begriff der demeritorischen Güter, also Güter und Dienstleistungen, die gesellschaftlich unerwünscht sind. Der Drogenhandel, Prostitution u.Ä. zählen dazu. In dem lesenswerten Buch „Der Untergang des Westens“ verweist die Autorin Dambisa Moyo unseres Erachtens richtig auf die Fehlallokationen bei Gehältern: „ Zum Zweiten entstand im Gefolge der Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunkts vom produzierenden auf den Dienstleistungssektor eine Gesellschaft, in der sich jene Gruppen, die verhältnismäßig wenig zur Förderung des Gemeinwohls beitragen (beispielsweise Sportler, Vorstandschefs oder Hedgefondsmanager), besonders üppiger Gehälter und Vergütungen erfreuen, im Gegensatz zu jenen Gruppen, die der Gesellschaft mehr Nutzen bringen (zum Beispiel Ärzte, Krankenschwestern oder Lehrer) – eine Entwicklung, die durch falsche Signale bei der Entlohnung von Arbeit gefördert wird.“ (Quelle: Dambisa Moyo, Der Untergang des Westens, München 2012, S. 117).

Wie also die richtigen Signale setzen, wer setzt sie, welche Mechanismen führen nicht zu Folgeverwerfungen wie Kapitalflucht, Korruption oder Auswanderung? Ökonomie 3.1 schlägt -wie im gleichnamigen Buch erwähnt- ein soziales Anreizsystem vor, das transparent und steuerrelevant marktgerechte Preise ermöglicht, die soziale Folgekosten und eben auch Fehlallokationen verhindert. Konkret für die Frage des gerechten Lohns ergeben sich daraus folgende prinzipielle Annahmen:

  1. Die Einführung eines Mindestlohns nach zwei Stufen. Der Mindestlohn der zweiten Stufe gilt für Tätigkeiten besonderen gesellschaftlichen Nutzens und ist höher. Der Konsens über den gesellschaftlichen Nutzen unterliegt dem gesellschaftlichen Diskurs. Verfolgt man Talkshows, so scheint ein Konsens über das Krankenschwestergehalt zu bestehen, nur hat bislang keine Regierung die von Frau Moyo angesprochene Fehlallokation beseitigt. Ökonomie 3.1. unterscheidet sich von anderen wirtschaftstheoretischen Vorstellungen genau darin, dass die quantitative Umsetzung von Wirtschaftspolitik gefordert und sichtbar gemacht wird.
  2. Ein wesentliches Merkmal der Zuordnung zu einer der vier nach sozialen Kriterien erstellten Steuerklassen ist das Gehaltsgefüge. Auch dies obliegt der gesellschaftlichen Diskussion und fließt je nach Ergebnis quantifizierbar in den Zertifizierungskatalog ein. Konkret: verdient der CEO der Firma X  500.000€ im Jahr und der niedrigste Lohn der Firma X beträgt z.B. beim Fahrer des CEO 50.000 € Jahresgehalt, so errechnet sich der Abstandfaktor 10. Ist dies der ausgehandelte Maßstab, so müsste bei einer Bonuszahlung von +200.00 € (neues Jahresgehalt demnach 700.000€) bei Beibehaltung des Abstands der Fahrer 70.000 € verdienen. Der sog. Abstandsfaktor garantiert bei aller Diskussionsfülle zwei wichtige Aspekte der Diskussion :

a)     Der Bestand eines Anreizsystems, das finanzielle Belohnungen für Geleistetes beinhaltet

b)     Die Relativität eines Gehaltsgefälles, das – ausgehandelt- eine empfundene Gerechtigkeit beibehält belohnt zudem die Tatsache, dass Firmenerfolg nicht der Erfolg einzelner ist, sondern ein Resultat von allen Beteiligten.

c)      Mit der Erhöhung des Mindestlohns gesellschaftlich als wichtig erachteter Tätigkeiten ergibt sich zwangsläufig ein höheres Anreizsystem, da sich gleichsam der Sockel des Gehaltsgefälles erhöht. Ein besonderer Allokationsgewinn wäre der dadurch gewonnene Anreiz für Bewerber, was in Folge dessen  gesteigerte Qualifikationsanforderungen ermöglicht.

Natürlich stellt sich sofort die Frage nach der Finanzierung! Wie oben gesehen erwirtschaften meritorische Güter eher Defizite, wie also sollen Dienstleistungen mit hohem Kostenfaktor bezahlt werden? Ökonomie 3.1 sieht verschiedene Lösungsansätze vor:

a)     Synergie-Effekte

 

Das Belohnungs- und Anreizsystem nach Ökonomie 3.1 fordert eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und staatlichen Gesundheitseinrichtungen für eine gesamtgesellschaftliche Vorsorgepolitik. Konkret: Firmen, die ein Konzept für ihre Belegschaft erarbeiten und umsetzen, das z.B. eine regelmäßige Krebsvorsorge betrieblich verpflichtend vorsieht, erhält Punkte für die  abschließende steuerliche Bewertungszuordnung. Zeit und Geld fließen in den Preis, der allerdings eine Kostenreduzierung infolge steuerlicher Vergünstigung und besserer Zertifizierung erhält.

b)     Steuerliche Umverteilung

Die Finanzierung von Einrichtungen meritorischer Güter und Dienstleistungen ist vorrangige gesellschaftliche Aufgabe des Staates. Steuergelder müssen also vorrangig hierfür bereit gestellt werden, was nicht automatisch zu einem aufgeblähten überteuerten Gesundheitssystem führen muss. Neben den genannten Synergie-Effekten gilt drittens:

c)      Eigenverantwortlichkeit

Die Vernachlässigung  der Eigenverantwortlichkeit führte in der Vergangenheit  zu Kostenanstiegen im Gesundheitssystem, und zwar unabhängig von der demographischen Entwicklung. Abgesehen von unverschuldet chronisch Kranken muss sich die Beanspruchung des Gesundheitssystems auch nach Kriterien der Selbstverschuldung richten. Versicherungstechnisch liegen derartige Risikokataloge vor, sie gelten jedoch nicht als generalisierende Regelung von Beitragssätzen. Kurz: wer sich besonderen Risikofaktoren aussetzt wie Rauchen, Übergewicht, Bewegungsarmut, auch risikoreichen Sportarten, der muss höhere Beiträge oder Zuzahlungen in Kauf nehmen.

d)      Umverteilung von Erträgen demeritorischer Güter zu meritorischen Gütern

Durch die (Extra-) Besteuerung risikoreicher Wertpapiere, durch Zinsdifferenzgewinne auf Kapitalmärkten, durch Abschläge auf „Kultur arme“  Vergnügungen wie Sportveranstaltungen (man denke an die horrenden Eintrittspreise und Gewinne bei Formel 1 –Rennen) usw. können fehlgeleitete Preise (nach der Normierung gesellschaftlichen Nutzens) in Kassen zur Finanzierung meritorischer Güter umgeleitet werden. Es geht dabei nicht um unsinnige Verbote von offensichtlich gewünschten Vergnügungen (Formel 1) oder gewollter Risikobereitschaft (Derivatehandel), sondern um die Korrektur ihrer Überbewertung.

 

Diese und sinngemäß ähnliche Vorstellungen von Ökonomie 3.1 lassen sich schrittweise verwirklichen.  Die Umsetzung von (Teil-)Schritten bedeutet keine prinzipielle Systemhinterfragung (Kapitalismuskritik), sondern einen Kompromissvorschlag zwischen Leistungsanreiz und gesellschaftlichen Wünschen. Die Vorschläge lassen sich quantitativ erfassen und basieren somit auf ökonomisierter Basis statt auf moralisierender Rhetorik. (D.B.)

 

 

 

 

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2 Gedanken zu „Die Vermögensverteilung der Welt

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