J.Rifkin, Die Dritte Industrielle Revolution, Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter, Frankfurt / New York 2011

Rifkin sieht in der kommenden Umstellung auf neue Energien eine Dritte  Industrielle Revolution. Er begründet dies  mit den Erfahrungen der vorhergegangenen Industriellen Revolutionen, der Ersten um 1800 / 1830 mit der beginnenden Industrialisierung in England [Textil und v.a. Eisenbahn mit Kohle und Stahl] sowie der Zweiten Industriellen Revolution, dem Ölzeitalter. Diese beiden Revolutionen verursachten tiefgreifende gesellschaftliche, ökonomische und politische Veränderungen. Die von Rifkin heraufbeschworene Dritte Industrielle Revolution prognostiziert den Übergang von hierarchischer zu lateraler Macht [erstmals erwähnt in Z. 28]. Eine Umstellung von zentraler Erzeugung und Verteilung von Energiequellen durch wenige Konzerne auf dezentrale Erzeuger, weitvernetzt und als souveräne Erzeuger fungierend, erscheint in der Tat als Paradigmawechsel bisheriger energiepolitischer Machtverhältnisse, oder nach Rifkinscher Ausdrucksweise, als neues ökonomisches Narrativ [ s.Kapitel 2 , Rifkin S.44 ff]. Der Autor konkretisiert seine These, indem er fünf Säulen der Dritten Ind. Rev. aufführt:

  1. Umstieg auf erneuerbare Energie
  2. Erneuerbare Energien vor Ort [ sog. Mikrokraftwerke]
  3. Einsatz von Wasserstoff zur Speicherung von unregelmäßiger Energie
  4. Nutzung der Internettechnologie für ein Energy – Sharing – Netz
  5. Umstellung der Transportflotten auf Steckdosen – und Brennstoffzellenfahrzeuge [S.49]

Die Umstellung wird aus folgenden Gründen notwendig:

  • Ökologische Gründe / Klimawandel
  • Fossile Brennstoffe und Uran als „elitäre Energien“ sind endliche Rohstoffe
  • Regenerative Energien sind unendlich
  • Langfristige Senkung der Kosten photovoltaisch erzeugten Stroms [ Prognose: jährliche Senkung um 8%; Rifkin S.51]
  • Politische Absicht  [ 20-20-20 Formel der EU; Rifkin S.82 f]

Neben den technischen Aspekten interessieren v.a. die politischen Konsequenzen der Umstellung von zentralen Erzeugern zu dezentralen Mikroerzeugern. Zitat: „Der teilweise Umstieg von Märkten auf Netze bringt eine grundlegende geschäftliche Neuorientierung mit sich. Die im Grunde auf Gegnerschaft gebaute Beziehung von Käufer und Verkäufer weicht einer kollaborativen Beziehung zwischen Lieferant und Verbraucher. Das Eigeninteresse wird dem gemeinsamen Interesse untergeordnet; die betriebseigene und damit geschützte Information weicht einer neuen Offenheit und kollektivem Vertrauen. Der neue Fokus auf Transparenz – statt Geheimhaltung – gründet sich auf der Prämisse, dass es der eigenen „Aktie“ nicht abträglich ist, für einen Mehrwert des Netzes zu sorgen. Im Gegenteil, da jeder einen gleichwertigen Knotenpunkt des Netzes ausmacht, hebt es den Wert aller Anteile an.“ [ Rifkin, S.146]

Rifkin spricht von sog. DIR – Geschäftsmodellen mit  kollaborativen  Geschäftspraktiken und rühmt sich in seiner  Funktion als Berater der Großen der Welt. Die Selbstdarstellungslust des Autors vermiest jedoch das Interesse an der Lektüre nur partiell, dafür enthält sie zu viele interessante Aspekte und auch Praxisbeispiele, die für SSP – Praktiken von Bedeutung werden könnten. So das Geschäftsmodell des Unternehmens  Philips Lighting mit einer [ nicht genannten] Stadt. Diese Art kollaborativer Partnerschaft funktioniert nach folgendem Schema [vgl.S.155; Schema = Eigendarstellung]:                                                                                                                                                          Bild zu Rifkin1

Rifkin beschwört den neuen „Geist sozialen Unternehmertums, der sich über den Globus ausbreitet.“[S.157] Etwas idealtypisch verfugt er dezentrale infrastrukturelle Veränderungen mit sozialer Neuorientierung unternehmerischen Denkens. An gleicher Stelle schreibt er: „Social Entrepreneurs – soziale Unternehmer – strömen von den Universitäten der ganzen Welt [!] und gründen neue Geschäfte, die die Grenzen zwischen ‚profitorientiert` und ‚non-profit‘ verwischen: Hybridunternehmen, die in den kommenden Jahren wahrscheinlich immer häufiger zu finden sein werden.“ Bestärkt wird er durch das vermeintliche Verschwinden ideologischer Überzeugungen der jungen Internetgeneration. An Stelle hierarchischer, geschlossener und proprietärer Institutionen entwickeln sich laterale, transparente und offene. Das politische Denken – so Rifkin auf S. 167 –wird sich fundamental verändern.

Gewagt aber nachdenkenswert erscheint die These auf Seite 186, nach der infolge steigender Transportkosten , verursacht durch dramatische Ölpreissteigerungen, der ökonomische Trend sich weg von der Globalisierung bewege , dafür hin zur sog. Kontinentalisierung. Meilensteine dieser Entwicklung sind nach Rifkin die EU und ASEAN  bzw. ASEAN Plus Three  (APT)  sowie die Afrikanische Union (AU) seit 2002.

Bizarr und schwer verständlich bleibt sein Exkurs über die Biosphärenpolitik. Hier zeigt sich der in den Geisteswissenschaften häufig zu beobachtende Trend, die eigene Wissenschaft in die Sphäre vermeintlich objektiver (Natur-) Wissenschaften zu hieven. Durch die Hintertür wird das Gleichgewichtsmodell biologischer Biotope bemüht, um die Veränderungsnotwendigkeit für ökologisch – ökonomische Prozesse zu beweisen. Vereinfacht geht es schlicht um die Messbarkeit von Nebenwirkungen ökonomischer Produktionsweise und des Verbrauchs, also letztlich um Input / Output – Rechnungen. Die Übernahme der Semantik der Biologie (Biomimetik; Entropieverluste) ist in meinen Augen wissenschaftliche Show und verengt auch den Blick wirklich notwendiger ökonomischer Betrachtungserfordernis. Rifkin unterliegt stattdessen dem Irrglauben, mit einer sauberen Energiebilanz ökonomisch zufriedenstellende Bilanzen erzeugen zu können. Wie viele andere missachtet er den Zusammenhang zwischen Produktionsweise und Produktionsergebnis. Soziale Nebenkosten fallen durch seine ökologische weil dezentralisierte Umstellung scheinbar nicht an, ein sauberes Produktionsergebnis garantiert scheinbare Sozialverträglichkeit. So erweist sich auch Rifkin als Meister alter  (Denk-) Schulen, wie viele alte und neue Meister mit brauchbaren Ideen und Teillösungsansätzen für notwendige neuartige Ökonomieansätze. Immerhin bewegt sich Rifkin auf aktuellem Terrain, berücksichtigt Vernetzungen und Internetanwendungsmöglichkeiten. Dabei ergeben sich durchaus interessante Fragestellungen nach neuen Aspekten wie der Hinterfragung bestehender Eigentumsrechtsvorstellungen [Patente bzw. Schutz geistigen Eigentums] oder die Überlegung, inwiefern soziales Kapital beim Aufbau von Netzwerken wichtiger ist als Finanzkapital (Google, Facebook; s.S. 239). Dennoch, Rifkin erwähnt immerhin in Erahnung weiterer Problemfelder den „Aufschwung ohne Arbeitsplätze“ [S.273], verschiebt die Problematik allerdings in argumentative Nischenaussagen wie „Überdenken des Arbeitsbegriffs“ [S.278]. Konkret bleibt von den vier Bereichen, in denen Menschen arbeiten können [ Markt – Staat - informelle Gesellschaft – Bürgergesellschaft] als primärer Arbeitgeber die Zivilgesellschaft [278], bösartig kritisch hinzugefügt: die sich selbst finanzierende Zivilgesellschaft. So bleibt letztendlich die Felbersche Gemeinwohlökonomie, die Non-Profitorganisation-Wirtschaft [279], kollektives , Wettbewerb negierendes Gutmenschentum , Idealismus pur, von einem Akteur postuliert, der sein Gedankengut weltmännisch den Großen der Politik verkauft und an ihren Tischen speist.

(DB)

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