Warum der Nahles-Vorschlag überlegenswert ist

Ende Dezember 2012 schlug die SPD-Generalsekretärin vor, jungen Eltern für zwei bzw. drei Jahre eine staatlich bezuschusste 30-Stunden-Arbeitswoche zu ermöglichen. Der Vorschlag von Frau Nahles traf auf einhellige Ablehnung seitens der Medien und der meisten Parteien. Die FAZ (28.12./S.11)schrieb von „gefährlichen sozialen Wohltaten“, die Aachener Nachrichten (28.12./S.2) belächelten die Idee als Meldung in nachrichtenarmer Zeit. Immerhin glaubte der Kommentator Stefan Vetter ökonomische Sachkenntnis anzubringen, indem er darauf verwies, dass „wer verkürzt arbeitet, erhält nach der Logik des geltenden Umlageverfahrens später auch eine geringere Rente.“ Abgesehen davon, dass nach dieser Logik die Rente bei geringerer Kinderzahl sowieso kürzer ausfallen wird, was ist eigentlich so schlecht an dem Vorschlag von Frau Nahles?

Im Gegensatz zur ablehnenden öffentlichen Meinung finden wir positive Ansätze, die – und so war es auch gedacht- inhaltlich ausgefüllt und vertieft werden müssen.

Generell positiv ist z.B. die Tatsache, dass das gesellschaftliche Problem  der demographischen Entwicklung im Lösungsansatz auf eine betriebswirtschaftliche Ebene transferiert wird. Die bislang geltende Regelung der Abwälzung sozialer Kosten auf Staat und Steuerzahler wird somit aufgebrochen. Wer auf der betriebswirtschaftlichen Ebene nur den Kostenfaktor sieht und wie unsere Kommentatoren kritisiert, betrachtet den Vorschlag letztlich gesellschaftlich verkürzt und sogar unökonomisch. Gesellschaftlich belastet die demographische Entwicklung die zukünftige Generation enorm, wahrscheinlich sogar schon die gegenwärtige Generation. Laut Zeit online (11.07.2007) sind 25-40 % der Akademikerinnen kinderlos, eine vorsichtige Schätzung, da genauere Befragungsergebnisse  nicht vorliegen. Angesichts  eines zunehmenden Mangels an qualifizierten Arbeitskräften gibt es allein durch diese beunruhigende Entwicklung einen Bedarf nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie (zumindest Kindererziehung).

Fast parallel berichteten die Medien von der Schwierigkeit, die gesetzliche Garantie eines Kitaplatzes im Jahre 2013 einzuhalten, ganz zu schweigen von dem Mangel qualifizierten Personals für die Kitas. Nimmt man noch drittens den Aspekt der Bezuschussung von Wiedereingliederungmaßnahmen nach jahrelanger Abstinenz berufstätiger Mütter hinzu, so könnte der Vorschlag von Frau Nahles sogar zu einer win-win – Situation für alle betroffenen Teilnehmer werden.

Der Staat leitet Gelder um, die sinn –und zweckentfremdet verwendet worden wären, er gewinnt eine sinnvolle demographische Perspektive durch die Attraktivität des Vorschlags gerade für Akademikerinnen. Die jungen Mütter sehen Perspektiven für die Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung, sogar  eine Entlastung der Kita-Inanspruchnahme und somit eine Entschärfung der Kitamisere wäre denkbar. Zuletzt könnten sich Unternehmen als Gewinner herausstellen, wenn sie es nämlich durch kluges Zeitmanagement schaffen, die Arbeitnehmerinnen in den Arbeitsprozess zu integrieren. Ein hohes Maß an Motivation ist gewiss, die Mitarbeiterinnen blieben auf einem Qualifikationslevel und wären flexibel einsetzbar. Zeitkonten, Heimarbeit, zeitlich fixierte Projektaufgaben usw. könnten mit dem Arbeitsprozess sinnvoll vereinbart werden. Eine kurze Geburtsauszeit mit anschließender minimierter Arbeitszeiteingliederung wäre für den Arbeitsablauf besser als eine lange Auszeit und damit verbunden  eine Suche nach qualifiziertem Ersatz. Sogar das Argument der verminderten Rentenansprüche bleibt hinterfragenswert, weil während einer verkürzten Arbeitszeit auch Rentenbeiträge gezahlt werden, was bei einer langen Erziehungsauszeit nicht der Fall wäre.

Nach Ökonomie 3.1 würden Betriebe, die ein sinnvolles 30-Stunden-Raster anbieten, steuerlich begünstigt und dieses Bemühen würde transparent gemacht. Solche Betriebe wären für Akademikerinnen, die frisch von der Universität kommen, ein attraktiver Arbeitsplatz, weil sie mit einer langfristig angelegten Zukunftsplanung verbunden wäre. Der Staat könnte mit den Betrieben zusammenarbeiten, indem  Vereinbarungen mit vorhandenen lokalen Kitas getroffen werden, womit a) organisatorische und finanzielle Synergieeffekte bewirkt werden könnte und b) der Arbeitseinsatz flexibler gestaltbar sein könnte.

Ein Denken in starren Vorstellungen verhindert freilich die Diskussion brauchbarer Vorschläge, zu Lasten späterer Generationen und zu Lasten einer qualitativen Wohlfahrtsökonomie.

(DB)

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