150 Jahre SPD

150 Jahre SPD / Ökonomie 3.1 gratuliert

Am 23. Mai 1863 gründete Ferdinand Lassalle im Leipziger Pantheon den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV). Allgemein gilt dieses Datum als Gründungsdatum der SPD, die demnach ihren 150. Geburtstag feiert. Bei der Durchforstung der Presselandschaft anlässlich dieses würdigen Ereignisses erhalten  Gratulationsartikel oftmals den Charakter eines Nachrufs (so z.B. verweist die FAZ  vom 24.Mai auf die „übliche Charakterisierung der SPD als Aschenbecher unter den Parteien: voller Geschichte, aber ausgebrannt.“).  Eine historische Bestandsaufnahme dieser großen Partei erscheint also  notwendig, mit einer Gegenwartsanalyse und Zukunftsperspektive.

Worin liegen die Verdienste der SPD? Meiner Meinung nach in drei Bereichen…

a.      Das Menschenbild

Die SPD hat maßgeblich dazu beigetragen dass der Mensch als soziales Wesen in der Modernität verankert worden ist. Dazu zählen u.a. Menschenrechte, Frauenwahlrecht, Rechtssicherheit und soziale Absicherung.

b.     Erhalt demokratischer Strukturen

Die SPD gehörte in der Weimarer Republik zu den verfassungstreuen Parteien, sie grenzte sich gegen radikale Linke ab, deren Verheißungen und Zielsetzungen letztendlich in die Stalinistische Diktatur geführt hätten. Die SPD widersetzte sich den Nationalsozialisten, und sie demokratisierte und sozialisierte die Bundesrepublik mit dem Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie im Godesberger Programm. Sie schaffte es, in den Unruhen der 68er Jahre Fliehkräfte einzufangen und programmatische Änderungen („mehr Demokratie wagen“) aufzunehmen. Sie bewegte sich außenpolitisch mit der Ostpolitik, wo andere Parteien erstarrten. Sie bekannte sich zu unangenehmen Reformen mit der Agenda 2010 in der Erkenntnis, dass die Dienstleistungsgesellschaft Mobilität und Flexibilität erfordert. Viele Maßnahmen brachten (inneren) Widerstand und kosteten Wählerstimmen, aber das nahm die Partei in Kauf.

c.      Persönlichkeiten

Hervorragende Persönlichkeiten führten die Partei, und nicht nur durch Willy Brandt rieben sich Künstler, Wissenschaftler und Literaten an den Zielen und Inhalten politischer Themen, aber alles im Rahmen des demokratischen Konsenses, was keine Selbstverständlichkeit ist. Der gesellschaftliche Dialog wurde und wird in der SPD gepflegt, und oft als Schwäche  oder ungesicherte Standortbestimmung ausgelegt.

Warum schlagen sich diese Verdienste nicht in größeren Wahlerfolgen nieder? Welche Negativmomente wirken auf die SPD? Auch hierzu drei Standpunkte…

  1. Die Entwicklung des Sozialstaats, der Dienstleistungsgesellschaft und der Verlust von Industriearbeit bedeuten einen Verlust der ureigenen Klientel der SPD, zugleich die Notwendigkeit einer Neuorientierung. Hier belastet der Begriff der „Alten Partei“, wo doch eine „Moderne Partei“ gesucht wird.
  2. Fehlende Persönlichkeiten. Greifen wir  die Suche nach einer „Modernen Partei“ auf. Wer in der jetzigen Partei ist in der Lage, Jugendliche zu begeistern, wie es einst Willy Brandt schaffte, oder auch Gerhard Schröder? Wer vermittelt glaubhaft die Notwendigkeit eines  „Rucks“ in unserer Gesellschaft?
  3. Inhaltliche Orientierungslosigkeit. Die SPD unter Schröder formulierte in dem berühmten Blair/Schröder-Papier einen Begriff, der leider untergegangen bzw. bewusst verdrängt worden ist, gemeint ist der Slogan einer „sozialen Angebotspolitik“. Dieser im Prinzip richtige Paradigmenwechsel hätte – offensiv durchgezogen, handwerklich verbessert und zukunftsträchtig ausgefüllt – das Interesse-und Wählerspektrum erweitert und die politische Neuausrichtung in den modernen Dienstleistungsstaat ermöglicht. Stattdessen revidierte die SPD einzelne Beschlüsse, moserte am eigenen Programm und überließ leichtfertig Kritikern das Feld.

 

Angesichts der eher negativen Momentaufnahme stellt sich die Frage:

Was kann die SPD, was andere Parteien nicht können?

Die SPD zeigte sich in der Vergangenheit als Partei des Wandels, der Öffnung zu Notwendigem, auch wenn es unpopulär gewesen ist. Dazu gehört, Bruchstellen der gesellschaftlichen Entwicklung zu erkennen und zu formulieren. Genau an solchen Bruchstellen befinden sich momentan moderne, ökonomisch entwickelte Gesellschaften, in Europa und Übersee. Folgende Grenzen lassen sich beobachten, bleiben jedoch (noch) unbeachtete Wahrheiten:

Grenzen des Sozialstaats

Der Sozialstaat erreicht die Grenzen der Finanzierbarkeit. Der demographische Wandel, aber auch der Wandel der Arbeitswelt mit unzureichender Anzahl sozialversicherter Beschäftigung erfordert ein Umdenken. Natürlich bedarf es einer größeren Verteilungsgerechtigkeit, aber es bleibt illusionärer Glaube, das bisherige Sozialstaatsmodell bedürfe keiner Korrekturen.

Grenzen des Wachstums.

Die Grenzen quantitativen Wachstums sind erreicht oder in Sichtweise. Versprechungen einer Wohlfahrtspolitik, die auf Wachstum basiert, sind Illusion. Wachstum geschieht in High-Tech-Branchen, bei neuen innovativen Branchen, aber nur partiell und temporär, bis die globalisierte Konkurrenz in immer kürzer werdenden Zeiträumen für Sättigung sorgt.  Es ist gefährlich, der Wachstums-Illusion zu verfallen, weil die Realität diese widerlegt.

Grenzen der Ressourcen und der Umweltbelastung.

Weltweites Wachstum verträgt sich nicht mit Ressourcenschonung und Umweltverträglichkeit. Der Widerspruch von Wachstum und Ressourcenschonung ist Fakt, diese Wahrheit verträgt sich aber nicht mit gängigen wirtschaftstheoretischen und wirtschaftspolitischen Dogmen. Also bleibt das Durchwursteln von Krisen zu (leichtem) Boom und wieder zur zyklischen Krise, bei insgesamt vermindertem Anstieg des BIP. Selbst wenn Sättigungstendenzen und vermindertes Wachstum negiert werden, so gilt dennoch die leider missachtete Forderung:

Der erreichte Wohlstand darf nicht dann zusammenbrechen oder gemindert werden, wenn Sättigungstendenzen erreicht sind!

Konjunkturelle Einbrüche und Wachstumsdellen führen zu Arbeitslosigkeit und Beschäftigungsumbrüchen und damit letztlich zu einer staatlichen Überforderungen wie am Schuldenanstieg feststellbar ist.

Bleibt die SPD die Partei des Wandels und des sozialen Anspruchs, so muss sie Lösungen finden  zur Vereinbarkeit von Wohlstand und verringertem Wachstum! Dies geschieht, wenn sie eine Wirtschaftspolitik formuliert, die den oben beschriebenen Tendenzen Rechnung trägt und wirtschaftspolitische Veränderungen postuliert. Diese müssen

  1. Inneres Wachstum fördern, d.h. Produktivitätsgewinne müssen nicht zwangsläufig in die Produktion quantitativer Mengen gelenkt werden, die infolge von Marktsättigung keine Abnehmer finden. Produktivität muss in die Verbesserung von Qualitätsmerkmalen, Arbeitsbedingungen und sozialen betrieblichen Einrichtungen münden
  2. Betriebe, die sozial verträglich produzieren und bereit sind, im Sinne von Buchstabe a) inneres Wachstum zu fördern, müssen belohnt werden und dürfen keine Marktnachteile erfahren.
  3. Dies geschieht, indem ein Anreiz-System geschaffen wird, das soziale Produktion belohnt. Anreize dafür sind Transparenz für den Verbraucher und ein belohnendes Preissystem.

Die SPD hat die historische Verpflichtung, die Entwicklung der endogenen Wachstumsschwäche öffentlich zu machen und den daraus folgenden Paradigmenwechsel einzufordern. Ein offensiver Umgang mit der Realität verschafft ihr die Themenmeinungsführerschaft der Zukunft, auch wenn die Thematik gegenwärtig nicht en vogue erscheint. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, ein  historisches Erbe zu verspielen.

 

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